Seit 2014 bieten wir mit der Aus- und Fortbildung zur Dialogprozess-Begleitung eine vertiefte und systematische Qualifizierung an.
Dialogische Redekreise schaffen allein schon durch ihre Form des Kreises ein gleichwertiges Miteinander - alle Blicke treffen sich auf gleicher Höhe. Die Wurzeln des Kreises in Gemeinschaften sind Jahrtausende alt und in vielen indigenen Kulturen noch immer eine erprobte Gesprächsform, in der es möglich wird, zuzuhören, gehört und verstanden zu werden.
In einem Gespräch, sei es zu zweit oder in der Großgruppe, auf einige der "dialogischen Achtsamkeiten" zu achten, sie zu üben und zu vertiefen, bringt immer wieder das überraschende Entdecken der eigenen, inneren Haltungen, Interpretationen und Bewertungen mit sich, die im Alltag, von uns unbemerkt, mitschwingen und unsere Gespräche beeinflussen. Hier eine Bewusstheit zu erlangen ist ein erster Schritt, im privaten wie auch beruflichen Kontext zu neuen kreativen und konstruktiven Gesprächen zu finden.
Ergänzend zu unseren Matineen möchten wir einen regelmäßigen Gesprächsraum zur Verfügung stellen, in dem wir uns den anstehenden gesellschaftlichen Themen mit Achtsamkeit und Mitgefühl zuwenden können. Es ist uns wichtig, mit der Methode des Dialogs eine Gesprächskultur zu entwickeln, in der wir uns angstfrei mit den emotionalen Aspekten unserer Fragen beschäftigen können. Eingeladen sind alle am Dialog Interessierten.
Begleitung durch I. Schenk und B. Gauer, ausgebildete und geübte Dialogbegleiter*innen und langjährige Schüler*innen von Dr. Sylvia Kolk.
Termine:
Der offene Dialogabend pausiert derzeit! Aktuelle Informationen dazu erhaltet Ihr hier auf der Website oder über unseren Newsletter.
Ort:
Wird zu gegebener Zeit bekannt gegeben
Kosten:
Spende für unser Zentrum
Anmeldung:
Die Termine können einzeln ohne Anmeldung wahrgenommen werden.
Schon in der Gründungsphase des Zentrumsrats als dem Beratungs- und Entscheidungsgremium des Buddhistischen Stadt-Zentrums Hamburg im Frühjahr 2011 regte die spirituelle Leiterin Sylvia Kolk an, in dieser Gruppe die Kommunikationsweise des Dialogs nach David Bohm zu praktizieren.
Ihre Vision war eine allmähliche Veränderung der Kommunikation im Buddhistischen Stadt-Zentrum, vom Zentrumsrat ausgehend, in allen Gruppen und Veranstaltungen. Indem der Zentrumsrat sich bewusst in seinen Debatten und Gesprächen auf die edle Rede des Buddhismus und die Haltungen des Dialogs nach Bohm bezöge, sollten diese Qualitäten in den Stadt-Praxis-Gruppen ebenso geübt werden wie bei Abendveranstaltungen, wenn es dort zum Austausch kommt. Eine gut gegründete Dialogkultur sollte auf diese Weise im Zentrum lebendig werden, wobei Sylvia Kolk annahm, dass die Kommunikationsform des Dialogs sich in einer größeren Gruppe etablieren kann, auch wenn nicht alle Gruppenmitglieder den Dialog bereits systematisch erlernt und geübt hatten.
Im Zentrumsrat vermittelte Sylvia Kolk in komprimierter Form die Basisannahmen und die 10 Grundregeln für das dialogische Miteinander-Denken und die Gruppe der Zentrumsrätinnen bemühte sich fortan, bei den Sitzungen in dieser Weise zu kommunizieren. Bis zu einem gewissen Grad gelang das auch, zumal es Schnittmengen mit der bereits vertrauten buddhistischen Praxis der edlen Rede gibt.
Doch im Laufe der Zeit wurde deutlich, dass es zur Verankerung des Dialogs im Buddhistischen Stadt-Zentrum einer vertieften und systematischen Qualifizierung bedarf. So organisierte Sylvia Kolk eine 12-tägige Ausbildung zur Dialogprozess-Begleitung, an der zwischen Oktober 2014 und Juni 2015 25 Personen teilnahmen.
In unterschiedlichen Formaten ist der Dialog seither fester Bestandteil in den Gruppen und Veranstaltungen des Zentrums und die Vision einer lebendigen Dialogkultur so im Prozess ihrer Realisierung. Regelmäßig finden Aus- und Fortbildungen zur Dialogprozess-Begleitung statt, ganz aktuell im Dezember 2019.
David Bohm ( 1917 – 1992) war Physiker und immer wieder betroffen davon, wie schlecht Kommunikation läuft, sei es in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Politik oder in ehrenamtlichen Gruppen und Vereinigungen. Es herrscht der Stil der Diskussion oder der Debatte vor: man will den eigenen Standpunkt durchsetzen, ohne ein tieferes Verständnis für die Position des anderen – und letztlich auch nicht für die eigene Position - zu entwickeln. So kann nichts Neues entstehen, an dem alle Anteil haben. Er machte die Erkundung der problematischen Natur vieler Beziehungen und das Aufzeigen von Wegen, die aus den Schwierigkeiten herausführen können, zu seiner Lebensaufgabe.
Als wesentliche Schwierigkeiten identifizierte er die folgenden:
Wir sehen die Welt durch die Brille unserer Vorgeschichte, unserer Vorannahmen und Meinungen, erleben unsere Perspektive aber als unumstößliche Wahrheit. Dabei ist das kollektive Denken unserer jeweiligen Kultur und Gesellschaft mächtiger als das individuelle Denken. Da wir nicht erkennen, dass wir eine Brille tragen, identifizieren wir uns mit unserem Selbstbild und mit unserem Bild der Welt. Dies hat diverse Auswirkungen:
Wir fühlen uns häufig nicht nur in unserer Meinung, sondern als Person angegriffen, wenn man nicht mit uns übereinstimmt. Wir verteidigen uns, unser Gegenüber fühlt sich angegriffen. Dies führt zu einem Teufelskreis nicht nur verbaler Gewalt.
Es fällt uns extrem schwer, die Evidenz unserer „Wirklichkeit" in Frage zu stellen, da sie so überzeugend ist. Solange es keinen Widerstand, keine Reibung, keine Schwierigkeiten gibt und wir nicht mit Fremdem konfrontiert werden, entgeht das Eigene meist der Wahrnehmung.
Wir sind nur bedingt fähig, einander wirklich zuzuhören: sei es, dass wir schon mit unserer Antwort beschäftigt sind, die Meinung des anderen ablehnen oder andere Faktoren unsere Aufmerksamkeit ablenken. Dies führt häufig zu dem Gefühl, nicht verstanden worden zu sein, was wiederum den Grad an Frustration und Aggressivität erhöht.
Dadurch, dass wir nicht zuhören und nicht nachfragen, wissen wir oft gar nicht, von was für einem Hintergrund an Annahmen, Bildern und Erfahrungen unser Gegenüber ausgeht, denken aber, wir wüssten es und reagieren entsprechend.
Bohms Ansatz ist kein Kochrezept, das der Dialoggruppe mit vorgegebenen Zutaten ein gelungenes Resultat garantiert. Wir sind vielmehr aufgerufen, uns mit dem Wagnis des Kochens selbst zu beschäftigen. Dies beinhaltet auch die Möglichkeit des Scheiterns.
Die Chance ist, dass sich durch den Dialog-Prozess eine völlig neue Weise des Zusammen-Erlebens-und-Denkens ergibt, die nicht vorhersehbar ist. Die Gruppe beginnt sich wie ein Organismus zu verhalten: es kommt nicht mehr darauf an, wer was beiträgt, es wird nicht ein bestimmtes Ergebnis oder eine Lösung angestrebt, sondern ein Ergebnis blüht auf, wenn die Zeit reif ist. Frustrationen und Schwierigkeiten, auch die Schattenseiten der Teilnehmer*innen sind eingeladen. Die Kraft der Gruppe ist größer, als die Summe ihrer Teile.
Ein zentrales Anliegen des Dialogprozesses ist es, zum verborgenen Kern des Prozesses vorzustoßen, das eigene Denken zu beobachten. Da Gedanken und Gefühle sehr schnell ablaufen, entgehen anfangs viele der Wahrnehmung. Mit zunehmender Übung wird die Wahrnehmung subtiler und mehr Zusammenhänge werden erkennbar.
Das In – der – Schwebe – halten von inneren Vorgängen unterstützt ebenfalls ihre Bewusstwerdung. Aufkommende Gefühle und Gedanken werden weder unterdrückt noch ausagiert. So sind sie der Beobachtung zugänglich und können in ihrem Charakter und in ihren Zusammenhängen erkannt werden.Die spiegelartige Reflexion der Teilnehmer*innen untereinander ist dabei sehr hilfreich.
Eine Dialoggruppe kann bis zu vierzig Teilnehmer*innen umfassen und sollte nicht zu klein sein, damit eine hinlänglich große Vielfalt an unterschiedlichen Grundannahmen und Meinungen repräsentiert ist. So können die Teilnehmer*innen ihre kulturellen und individuellen Konditionierungen erkennen.
Ein Dialog kann zu einem vorher oder zu Beginn vereinbarten Thema stattfinden oder als generativer Dialog, bei dem das Thema im Lauf des Gesprächs entsteht. Für einen Dialog sollte mindestens eine Dreiviertelstunde Zeit zur Verfügung stehen.
Ein*e Dialogprozessbegleiter*in sorgt für einen geschützten Raum und für die Rahmenbedingungen, baut eine Mitte auf, achtet auf die Zeit und gibt bei Bedarf Impulse in die Dialogrunde. Insbesondere in größeren Gruppen sollten diese Aufgaben von zwei Personen wahrgenommen werden.
Die Teilnehmer*innen sitzen im Kreis. Im Zentrum des Kreises wird eine Mitte hergestellt, z. B. mit einem Tuch, auf dem eine Kerze und Blumen stehen. In der Mitte liegt mindestens ein Redesymbol (z.B. ein Wurzelholz und/oder ein Stein) sowie eine Klangschale.
Der Dialogprozess beginnt meistens mit einer Runde, in der jede*r Teilnehmer*in eine erste Äußerung zu dem (möglichen) Thema tun kann, aber nicht muss – Schweigen gilt als gleichwertiger beitrag. Dabei wird ein Redesymbol von Teilnehmer*in zu Teilnehmer*in weitergegeben und zum Schluss wieder in die Mitte gelegt.
Wer nun etwas sagen will, geht er in die Mitte und nimmt ein Redesymbol auf. Man spricht zur Mitte hin, legt den eigenen Redebeitrag quasi dorthin. Wenn man sich auf eine*n andere*n Teilnehmer*in bezieht, tu man auch das eher über die Mitte als direkt.
Dann legt man das Redesymbol wieder in die Mitte, wo es sich der oder die nächste holt. Dieses Verfahren führt zu einer Verlangsamung des Gesprächs underhöht die Chance, dass die Teilnehmer*innen ihr mentales und emotionales Mikroklima wahrnehmen und besser zuhören können. Die Entscheidung, das Wort zu ergreifen, wird bewusster getroffen.
Empfindet ein*e Teilnehmer*in das Redetempo als unangenehm schnell, kann sie oder er die langschale in der Mitte anschlagen. Dann wird eine Pause eingehalten, bis der Klang nicht mehr zu hören ist.
Eine Teilnehmerin reflektiert, warum ihr der klassische Bohm’sche Dialog so ans Herz gewachsen ist.
„Für mich ist die Einladung im Dialog, mich kennenzulernen in meiner Verbindung zu den anderen. Da sagt jemand was, wie reagiere ich darauf, wie erlebe ich mich da? Mag ich das mitteilen oder zunächst noch in der Schwebe halten? Kann ich es schon ausdrücken, oder braucht es die Schwebe. Da keine Zielorientierung da ist, da nichts „erreicht“ werden muss, da kein Ergebnis vorgezeigt werden muss, darf alles sein.
Ich bin fasziniert davon, dass Bohm sagte, wir würden mehr als 90 % aus dem kollektiven Bewusstsein reagieren. Ja, wenn das stimmt, dann braucht es für mich kein Streitgespräch zu geben, ob etwas richtig ist oder falsch. Es ist „nur“ zu prüfen, aus welchem Bewusstsein ich spreche. Und ich prüfe mich, nicht den anderen.
Kollektives Bewusstsein bedeutet für mich, ich habe es noch nicht geprüft, es ist mir gar nicht bewusst, dass es die Meinungen aus vielen Jahrtausenden sind, die Meinungen der Ahnen, Eltern, alles, was mir über Sprache, Gedichte, Lieder, Kirchenlieder, Witze, Sprichwörter, christliche Lehren, hinduistische Lehren, Ayurveda-Lehren, buddhistische Lehren, Geschichtsunterricht, Erdkundeunterricht, von Lehrern, Ausbildungsbetrieben, Freunden, „Feinden“, aus meiner deutschen Geschichte u. s. w. vermittelt wurde.
Doch ich habe es noch nicht wirklich geprüft, ich plappere es nach, als wäre es Wirklichkeit. Das fasziniert mich. Da möchte ich eintauchen in diesen Urwald der Vorurteile, Meinungen, Absichten, Glaubenssätze. Eintauchen zu mir, bis auf den Grund. Liebevoll, behutsam, voller Mitgefühl.
So ist für mich der klassische Bohm‘sche Dialog mit einer festen Gruppe über viele Jahre mein Wunsch. Damit ich es einüben kann. 10 Jahre brauche ich, um mich zu verändern, damit es jede Zelle weiß.“
Buddhistisches Stadt-Zentrum Hamburg e.V.
Liebe · Kraft · Weisheit
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22765 Hamburg / Ottensen
liaM-E